Kalkulierter Regelbruch | Perfektionismus

Kalkulierter Regelbruch | Perfektionismus | © 2022 Claus R. Kullak | crk-resanimus.de

Perfektionismus – die Unfähigkeit, eigene Fehler zuzulassen – ist schwer zu überwinden. Ein paar Gedanken darüber, ob sich Fehler als kalkulierter Regelbruch planen lassen.

Okay, dies ist wirklich nur ein Gedankenausschnitt (Thought in Progress). Ich muss den Regelbuch wagen, die Unperfektheit zuzulassen, dass ich nicht alles, was an vorausgegangenen Erkenntnissen und Gedanken in diesen Gedankenausschnitt eingegangen ist, einleitend darlegen kann. Deshalb gibt es erst mal den hier:

Hinweis: Bei diesem Text handelt es sich um einen Notizfetzen, ein Leseprotokoll, ein Gedankenspiel oder eine Begriffsannäherung. Diese Blog-Formate habe ich eingeführt, um dir schnelleren Zugang zu meiner Arbeit zu ermöglichen. Lies dazu ggf. die Beschreibung der neuen Blog-Formate. Abonniere den Newsletter für Updates. Wenn du Fragen oder Anregungen hast, schreibe gerne einen Kommentar.

Hürden bei der Überwindung von Perfektionismus

Kurz gesagt, ist Perfektionismus eine mögliche Ausprägung der weit verbreiteten Zwanghaften Persönlichkeitsstörung (OCPD), welche mir diagnostiziert wurde. Ein Symptom dieses Charaktertypus ist, dass das Denken Betroffener auf bestimmte Denkweisen beschränkt ist. Anders zu denken, ist wörtlich unmöglich.

Die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung und der Perfektionismus sind Überlebensstrategien. Menschen mit diesen Eigenschaften waren in so starker Weise Kritik oder Versagenserfahrungen ausgesetzt, dass die Vermeidung von Fehlern um jeden Preis sinnvoll erschien.

Die Strategie, klaren Regeln zur Vermeidung von Fehlern zu folgen, wurde so lange praktiziert, dass sie zum untrennbaren Teil der Persönlichkeit wurden. Das Denken und Handel findet nur noch in den Bahnen dieser Regeln statt. Denken und Handeln außerhalb davon – sprich der Regelbruch – ist nicht mehr möglich.

Entspannung als Regelbruch

Was mich persönlich angeht, erlag ich dem strengen Glaubenssatz, dass alle an mich gestellten Anforderungen wichtiger waren, als das, was ich selbst wollte oder brauchte. Solange also Anforderungen bestanden, konnte ich nicht entspannen – völlig egal, wie wichtig das gewesen wäre.

Nun, wir wissen ja, wohin mich das geführt hat: Gerade vorgestern war ich seit 25 Monaten krankgeschrieben. Yay, Jubiläum! Not.

Auch für meine persönlichen Interessen hatte dieser selbstauferlegte Zwang eine einfache Konsequenz: Solange etwas wichtiges anstand, durfte ich mich nicht mit meinen Interessen befassen, denn diese waren ja weniger wichtig.

Ich löste dieses künstliche Problem mit einem Kunstgriff, der nun zum seinerseits großen Problem geworden ist: Ich definierte alle Hobbys zu Aufgaben um, die einer gewissen Pflichthaftigkeit und vor allem nachweisbarer Leistung unterlagen. Wenn ich mich beispielsweise mit Psychologie beschäftigen wollte, musste ich eine Rechtfertigung haben. Ich musste mich zu einer Leistung verpflichten, die als Anforderung formuliert wurde und das Hobby gleichwichtig machte wie andere Anforderungen.

Kurz: Beschäftigung mit Interessen ist verboten. Aber Leistung im Interessensbereich ist erlaubt.

Kürzer: Deshalb gibt es diesen Blog. Und meine anderen drölf.

Perfektionismus ist eine Fessel, die man brechen muss

Aus Überforderung habe ich dann mit zunehmender Krankheit alle Hobbys aufgegeben. Abgesehen davon, dass Überforderung scheiße ist, führte das Aufgeben der Hobbys natürlich zu einer innere Verarmung und zusätzlichen Leiden.

Das Problem ist jetzt: Wie kann ich meine Hobbys wieder aktivieren, ohne neuerlich in dieselben Fesseln zu geraten?

Es fängt ja harmlos an:

Jetzt sind aber drei Wochen vergangen. In diesem drei Wochen habe ich drei Mal samstags einen neuen Artikel auf meinen #Forensik4Autor_innen-Blog CRK. res iudicialis gestellt. Unschwer erkennt der Laie ein Muster. Eine Regel. Juhu! Not.

Das Problem ist offensichtlich, dass ich – und darin liegt ja die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung – gar nicht in der Lage bin, mein Handeln außerhalb des Perfektionismus‘ zu denken. Ohne dass ich es bemerkt habe, habe ich schon wieder eine Regel für mein Handeln formuliert: jeden Samstag ein Artikel.

Und plötzlich ist aus dem, meine Hobbys befreienden Regelbruch eine neue fesselnde Anforderung geworden.

Alte Laster lamentieren

Vielleicht erkennst du darin ein Muster wieder, in welches du selbst immer wieder verfällst. Oder du erkennst dieses Muster bei deinen Lieben wieder. Mit Sicherheit hat es meine Freundin Han bei mir schneller erkannt als ich und den Finger in die Wunde gelegt.

Ich belüge mich also selbst, wenn ich meine, eine Regel gebrochen zu haben. Ich habe nur eine Regel durch eine andere ersetzt.

Scherzfrage: Von wie vielen Blogger:innen hast du schon Bitten um Entschuldigung gehört, weil sie ihren völlig beliebigen – weil selbstgesetzten – Veröffentlichungsrhythmus gebrochen haben?

Das alte Laster windet sich nun wie eine Schlange, um sich dieser Tatsache nicht stellen zu müssen. Die Klage lautet etwa wie folgt:

  • Aber ich habe doch extra den Abstand von einer Woche gewählt und nicht weniger!
  • Aber ich habe doch (nach dem zwanglosen Beginn) ein Mal einen Artikel vorproduziert und mich nur ein Mal nach Zeitplan drangesetzt!
  • Aber ich habe doch bewusst entschieden, die fünf bis acht schon recherchierten Artikel nicht gleich zu schreiben, damit es weniger Zwang ist.
  • A…

Hans Vorschlag: Brich diese Woche die Regel!

Und da wird natürlich das ganze Problem erst richtig offensichtlich: Die bloße Vorstellung des Regelbruchs ist hochgradig unangenehm.

Den Regelbruch aushalten

Aus psychologischer Sicht ist es so, dass wir versuchen, Dinge zu vermeiden, die wir als unangenehm empfinden, auch wenn sie eigentlich gut für uns wären. Die in der Vergangenheit erlernte Bewertung ist damit stärker als die Vernunft. Um dieser Fessel zu entkommen, müssen wir lernen, das auszuhalten, was wir impulsiv vermeiden wollen.

Die Regel lautet: Um der Regel zu entkommen, brich die Regel.

Mal sehen, ob dir folgende Gefahr bekannt vorkommt: Wenn die Aufgabe lautet, dass die Regel gebrochen werden soll, könnte ich regelmäßig ein Mal aussetzen. Aber das heißt ja nur, eine zusätzliche Regel aufzustellen, die definiert, wie die andere Regel gebrochen werden muss: Nach drei Wochen setze ich samstags ein mal aus.

Als Nächstes habe ich gedacht, ich könnte diesen inneren Konflikt dazu nutzen, mal wieder was für meinen Psychologie-Blog zu schreiben. Das ist als Denkfehler vielleicht gerade noch zu verzeihen. Doch wenn ich diesen Text hier obendrein am Samstag veröffentliche – sozusagen anstelle eines Forensikartikels – ist gar nichts gewonnen.

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