Ein Freund, neu in Führungsposition, hadert mit Leistungsstreben, Vorbildfunktion und Selbstschutz. Er sagt: „Ja, den Punkt erkennen, ab wann man sagt, es reicht jetzt, das ist schwierig.“
Du kennt das: Endlich der neue Job. Vielleicht hast du lange gesucht. Nun möchtest du dich beweisen und – mehr noch – dich als würdig erweisen und „übernommen“ werden. Also versuchst du, den Job richtig zu rocken – ohne Rücksicht auf kleine Wehwehchen. Leistung hat jetzt Vorrang, denn schließlich bist du ja finanziell abhängig.
Die Führungsposition ergänzt diese Situation noch um die entgegengesetzte Blickrichtung: Wie kannst du von deinen Untergebenen etwas erwarten, ohne es selbst als Vorbild gezeigt zu haben? Willst du, dass diese immer alles fertig machen, bevor sie heimgehen, und sich nicht dauernd krankmelden, musst du es vormachen.
Vielleicht kommt noch das Messen mit zweierlei Maß hinzu: Es ist dir bewusst, dass „immer alles“ nicht der Maßstab sein kann und von „dauernd“ nicht die Rede ist. Wenigstens, was die anderen angeht. Mit dir selbst bist du natürlich härter. Schließlich geht ohne dich alles sofort den Bach runter. Für Selbstschutz ist da kein Platz.
Selbstschutz bedeutet vor allem, Gefahren zu erkennen
Er, der Freund, merkte schnell, dass diese Haltung in die Überlastung führt. Und nachdem er gesagt hatte: „Ja, den Punkt erkennen, ab wann man sagt, es reicht jetzt, das ist schwierig“, habe ich ein bisschen nachgedacht und bin auf folgende Vorschläge gekommen, an denen man erkennt, dass man zu viel arbeitet:
- Wenn du das Gefühl hast, dass es gerade zu anstrengend sein könnte, ist es vermutlich zu anstrengend.
- Wenn du dich zwingen musst weiterzumachen, weil es dir nicht mehr leicht von der Hand geht, ist es Zeit für Feierabend.
- Wenn du merkst, dass du dir Durst, Klogang oder Luftholen (bzw. evtl. Zigarette) verkneifst, ist es definitiv Zeit für eine Pause.
- Wenn du abends nach der Arbeit so kaputt bist, dass du nichts mehr machen möchtest, war der Tag zu lang.
- Wenn das Wochenende nicht reicht, um erholt in die Woche zu starten, ist es zu viel.
- Wenn du dich auf dem Zahnfleisch in die Ferien schleppst, ist es zu viel.
- Wenn du krank wirst, sobald der Stress nachlässt oder die Ferien beginnen, ist es zu viel.
- Wenn du mehr arbeitest als die anderen (für mehr oder dasselbe Geld), stimmt etwas nicht.
- Wenn du den Alltag als Herausforderung definieren musst, weil du dir nur so plausibel machen kannst, warum du das auf dich nehmen sollst, stimmt was nicht.
- Wenn du dich – und das ist ein Depression- bzw. Burnout-Warnzeichen – fragst, warum du das eigentlich machst, lass es.
Die Marathonmetapher des Selbstschutzes
Jeder Mensch hat mal eine Lebensphase oder ein Projekt, in welchem er bis an die Belastungsgrenze gehen muss – beispielsweise vor einer Prüfung. Entscheidend ist daher: Wie lange und wie oft hast du diese Phasen. Sagen deine Freunde, bei dir sei das ja irgendwie normal?
Als meine Mutter mal zu mir sagte: „Jeder hat mal so eine Phase“, habe ich geantwortet: „Wenn etwas schon seit zehn Jahren anhält ist das keine Phase.“ Dann habe ich noch 13 Jahre so weiter gemacht und bin jetzt seit 698 Tagen krankgeschrieben. Damit es dir nicht so geht, denke an die Marathonmethapher des Selbstschutzes:
Dein Arbeitsleben ist ein Marathon: Du musst 42 Jahre laufen. Du darfst daher nicht sprinten. Und an einer Steigung musst du etwas langsamer werden oder danach gar ein paar ruhigere Schritte machen. Kurz: Du musst immer so laufen, dass du nicht außer Atem kommst. Denn Atem holen kannst du nur, wenn du für längere Zeit stehen bleibst.
Viel Erfolg bei deinem Selbstschutz!
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